Mit den Jungs auf Helgoland

Nach dem Flop mit der Inselralley und dem Spieleabend und Steves Dauergemotze, dass es so langweilig ist, komm ich etwas ins Schwitzen, wie ich die Jungs drei Wochen lang bei Laune halten soll. Aber es spielt sich irgendwie ein und Fußballspielen geht immer.

„Wie wär’s wenn wir an den Strand gehen?“ – unisono erklingt ein „Och nö“. „Fußball?“ – „Au ja!“ Besonders heiß sind sie darauf, mit den Berlinern Fußball zu spielen. Die können nämlich nicht Fußball spielen, bzw. sie haben es nicht gelernt, mit anderen Kindern als Team zu funktionieren. Also gewinnen unsere immer, trotz Asthma.

Der einzige, der sich nicht für Fußball begeistern kann, ist Siegfried. Er hat es ja nicht so mit dem Laufen. Er bleibt bei uns am Spielfeldrand und beschäftigt sich damit, auf dem Boden liegend, die Ameisen zu studieren. Einen Abend ist er allerdings beleidigt. Er will doch mitspielen und Daniel gibt ihm zu verstehen, dass er zu lahm ist und nicht mitspielen darf. Siegfried ist sooo sauer, dass er nichts mehr mit Daniel und uns allen zu tun haben will. Er haut ab! Ehe ich’s mich versehe, rennt er los, Richtung Helgoland „City“. Rüdiger bleibt beim Fußballspiel, ich hinter Siegfried hinterher.

Siegfried hat beschlossen, dass er seine Ohren auf Durchzug stellt. Ich ruf ihm hinterher, dass er warten soll. Er wartet nicht. Ich bleib stehen, er bleibt stehen, wenn ich einen Schritt auf ihn zugehe, rennt er wieder los. Erstaunlich, wie flott und ausdauernd Siegfried rennen kann, wenn ihm danach ist. Ich gebe auf und humpel (Fuß vertreten) langsam zurück zu den anderen. Dass ich ihn einfach stehen lasse, gefällt Siegfried aber auch nicht. Also kommt er langsam hinter mir her. Immer, wenn ich versuche, mit ihm zu reden und auf ihn zuzugehen, rennt er wieder weg.

Ich bin stocksauer und beschließe, mal ein Wörtchen mit seinen Eltern zu reden. Dass er sich auf die Straße zum Schlafen niederlegt, ist eine Sache. Dass ich meine Aufsichtspflicht verletze, wenn ich ihrem Sohn nachrennen muss, eine andere. Während mein Groll auf Siegfried wächst, versteckt er sich zwischen den Sträuchern am Spielfeldrand und behält uns im Auge. Keine Ahnung, was er da ausbrütet. Später scheint er wieder mit den Ameisen zu spielen. Als wir mit unserem 6:1 Sieg in der Tasche zurück zur Jugendherberge gehen, gesellt er sich zu uns, als wäre nichts gewesen. Er versucht Gutwetter zu machen, indem er mir von seinen Ameisenstudien erzählt. Aber ich bin sauer und ignorier ihn bis zum Zubettgehen. Da entschuldigt er sich so zerknirscht, dass ich ihm verzeihe. Er ist ja doch süß …

Den Vogel schießt der kleine faule Siegfried beim Inselfest ab – oder war es das Feuerwehrfest? Eins von beidem. Wir sind auf dem Oberland und die Jungs machen mit, wo man mitmachen kann und wir schauen uns an, was es an Vorführungen und Programm zu sehen gibt. Siegfried hat nur eines im Auge: eine Omi und ihren Rollator – also mehr den Rollator als die Omi. Das Ding scheint ihm praktisch und man sieht ihm förmlich an, dass er am liebsten damit davon schieben möchte. Als sich die Omi schließlich auf die vordere Sitzfläche des Rollators setzt, geht er zu ihr hin und fragt artig, ob er sich auch mal setzen darf. Er ist so müde… Sie lässt ihn tatsächlich und Siegfried ist soooo happy.

Paul bringt später am Nachmittag den Helgoländer Sheriff ins Schwitzen. Als Sohn einer Polizistin interessiert er sich sehr für den Inselpolizisten. Der steht mit seinem Fahrrad am Wegrand und behält die Besucherströme im Auge. „Man darf hier nicht Fahrrad fahren“, schreit ihm Paul lauthals entgegen. Worauf die anderen Jungs miteinstimmen müssen. Der Polizist sagt, er darf Fahrrad fahren, weil er Polizist ist. Paul fragt ihn, ob er auch ein Polizeiauto hat. Nein, nur das Fahrrad. Ja und wenn er hupen muss? Dann klingelt er und ruft Achtung, aus dem Weg. Paul ist schwer beeindruckt und bittet ihn mit treuherzigen Kulleraugen: „Mach doch bitte mal!“

Nein, hat er nicht gemacht. Er hat sich stattdessen schleunigst verdünnisiert.

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