Livigno – total unversteuert!

Wir haben Helgoland und die Italiener haben Livigno! Napoleon ließ den Ort dereinst zur zollfreien Zone erklären. 1805 war das! Und das ist noch heute so. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so billig getankt habe wie im zollfreien Livigno: 85 Cent für den Liter Diesel und auch Benzin unter 1 Euro. Incredible!

Der Ort liegt auf über 1.800 Metern, so eingekesselt in den Alpen, dass er vormals nur im Sommer erreicht werden konnte. Dementsprechend packten die Leute im Herbst ihr Zeugs und zogen „Eeeeeeeeey- ab in den Süden…“ – tralala. Napoleon wollte aber, dass sie blieben! So machte er ihnen die Überwinterung in Livigno halt mit attraktiven Steuervergünstigungen schmackhaft. Das klappte! Brachte aber natürlich auch die Schmuggler auf den Plan, woran noch heute viele Restaurant- und Hotelnamen erinnern.

Seit 1951 kann man Livigno auch im Winter erreichen – aber den Status als zollfreie Zone hat der Ort bis heute behalten: Livigno gehört nicht zum Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft! Also ein herrlicher Ort, um endlich mal wieder so richtig den Tank vollzuhaun, oder sich einen hinter die Binsen zu kippen. Und in den unzähligen Duty free Shops duftet es aus allen Ecken und Kanten nach den gerade angesagten Parfüms.

Die Shopping-Dichte dort oben in den Alpen dürfte einzigartig sein. Livigno hat gerade mal 6.000 Einwohner aber mehr als 150 Geschäfte: exklusive Boutiquen, Markenläden, Maßschneidereien für Herrenmode… Und das im hintersten Eck der Alpen. Verrückt! Am Wochenende ziehen die Autokolonnen fast wie Ameisenschwärme über die Pässe bzw. aus der Schweiz kommend durch den Tunnel und fallen über Livigno her.

Wir sind früher immer nach Holland gefahren, weil da das Gemüse besser und billiger war. Ich kann mich auch noch an Butterfahrten auf der Nord- und Ostsee erinnern, und wie wir Kühltaschenweise die Butter an Land schleppten. Keine Ahnung, was aus der ganzen Butter geworden ist. Wurde die für schlechte Zeiten eingefroren, zu Kuchen verarbeitet oder verschenkt? Ich weiß es nicht. Diese Erinnerungen werden in Livigno wieder wach. Das waren noch Zeiten…

Ich bin schon mal vor ein paar Jahren zufällig in Livigno gewesen. Da hatte allerdings alles dicht. Nun fuhren wir also das zweite Mal von der Schweiz kommend durch den Munt-la-Schera-Tunnel – eine von drei Zufahrtsmöglichkeiten nach Livigno. Knapp 3,5 km zieht sich der Tunnel fast schnurgerade durch den Berg. Reisegefährtin Clarissa hob es fast aus dem Sitz – Aaargh – und der Gegenverkehr? Relax – der wartet auf der anderen Seite, bis wir durch sind!

Der Tunnel ist einspurig gebaut und wird umschichtig frei gegeben. Der Gegenverkehr muss warten, bis er grünes Licht hat. Das dauert in der Regel 15 Minuten, kann aber bei vielen Zollfrei-Shoppern auch mal länger dauern.

Während der Wintersaison ist der Tunnel an den Abreisetagen vormittags in Richtung Schweiz geöffnet, damit die Abreisenden möglichst ohne Staus aus dem Tal kommen. Ab Mittag können dann aus der Gegenrichtung die neuen Gäste einreisen.

Wenn man nach einer gefühlten Ewigkeit endlich aus dem spooky Tunnel rausfährt, liegt der Lago di Livigno vor einem, bzw. der zum See gestaute Fluß Spöl.

Die Staumauer ist so hoch, dass Schilder aufgehängt wurden, die die Ausübung jeglicher Extremsportarten verbieten. Also nix mit Abseilen, Fassadenklettern oder auf was für verrückte Ideen man sonst noch kommen kann. Nach der Mautstation (die Tunnelbenutzung kostet 15 Euro) geht es dann entlang des Sees nach Livigno.

Früher wurden die Leute mit Steuerermäßigungen gelockt, den Winter in Livigno zu verbringen. Heute ist im Winter Highlife und der Sommertourismus schwächelt etwas! Mit unzähligen Liften und Pisten rund um den eingekesselten Ort, ist Livigno ein sehr beliebter Wintersportort. Im Sommer sollen u.a. Touren und Pisten für Mountainbiker Schwung in den Tourismus bringen.

Für uns war die wichtigste Frage: gibt es einen Campingplatz? Denn dort wollten wir im Dokker übernachten. Ja, gibt es – mehrere außerhalb und zwei fast in der Stadt. Aber dann der Schock: Ich dachte ja, die Finnen spinnen, mit ihren utopischen Campingpreisen. Die Italiener spinnen noch ein bisschen mehr: 2 Mensch + Hund im PKW = 28 Euro. HALLO? Und so wollt ihr den Sommertourismus in Schwung bringen? Für einmal parken – denn mehr als ein Parkplatz war der Campingplatz nicht – sechsmal auf Klo gehen (2 Leute!) und viermal Zähneputzen fast 30 Euro? Gut, die Toiletten waren super, und wir konnten via WIFI auf youtube „Pan Tau“ schaun (Clarissas Idee!) Aber trotzdem!

Am nächsten Tag in Meran war es sogar noch mal teurer: 34,40 Euro – aber nur weil ich den Hund verschwiegen hatte, sonst wären es 37,40 Euro gewesen.

Mangels Taschenlampen oder anderer Beleuchtung im Auto saßen wir recht im Dunkeln und hätten schon um 20 Uhr ins Bett gehen können – aber dank Home-Cinema am Tablett, konnten wir es bis 22 Uhr hinauszögern. Frisch war es in Livigno! Und in der Nacht wurde es noch frischer und dann begann es zu regnen, bzw. in den höheren Lagen zu schneien.

Als wir morgens aus dem Auto kletterten, waren die Bergspitzen weiß gepudert. Hurra, der erste Schnee!

Wir hätten sogar mit dem Sessellift hochfahren können. Entschlossen uns aber zur Weiterfahrt und verließen Livigno in südlicher Richtung.

Ciao Livigno, ich komm bestimmt mal wieder!