Wenn aus Woolly Tweed wird

Gerade hab ich Woolly II von der Straße aufgesammelt und ins Auto gepackt. Damit hab ich nun schon das zweite Schaf im Dokker und es wird langsam etwas eng mit zwei Schafen, Hund und mir.

Woolly I bekam ich geschenkt. Natürlich handelt es sich nicht um ein vollständiges Schaf, sondern um seinen abgelegten Anzug. Das Vlies von Woolly I wurde ganz korrekt von einem Schaf abgeschoren. Ich wollte es für meine Mutter haben, die es zu Wolle verspinnt und mir dann ein paar hübsche Handschuhe draus strickt – so der theoretische Plan. Ich hätte noch viel viel mehr Schafe haben können, aber ich hab ja nicht so viel Platz und ich wollte auch nicht, dass mein Auto wie ein Schafstall riecht.

Aber als ich Woolly II da liegen sah, konnte ich sie doch nicht liegen lassen, oder? Rein ins Auto. Zum Glück riecht sie nicht.

Die frühere Trägerin konnte unweit ihres Mantels ausgemacht worden. Sie ist jetzt fast nackelig, sieht aber glücklicher aus als ihre warm verpackten Kolleginnen.

Rossi ist sehr an unserer neuen Mitfahrerin interessiert.

Ja, und nachdem wir nun das Thema Wolle im Auto haben, ist das doch die perfekte Gelegenheit, zu zeigen, was draus wird, wenn die ganzen Woollys…

… ihre Wolle abgeliefert haben…

(nach dem Scheren kommt das Färben, damit ihre Besitzer sie schon von weitem erkennen…)

… wenn die Wolle korrekt versponnen und verwebt wurde und den letzten Feinschliff in der Harris Tweed Mill bekommen hat. Dann kommt am Ende der weltberühmte Harris Tweed heraus.

Das verwirrende am Harris Tweed ist, dass er überwiegend auf Lewis hergestellt wird. Aber andererseits ist das mit Harris und Lewis eh Quatsch, die beiden sind eine zusammenhängende große Insel. Ich hab zwei Theorien erzählt bekommen, warum der Norden Lewis und der Süden Harris heißt, aber keine davon klang richtig glaubhaft. War jedenfalls schon immer so. Oder ist schon seit sehr sehr langer Zeit so und keiner kann sich mehr erinnern warum.

Der Tweed, der auf dieser großen Insel hergestellt wird, heißt jedenfalls Harris Tweed, obwohl er überwiegend auf Lewis produziert wird – ja, etwas kompliziert. Über die Insel verteilt gibt es lauter kleine Webereien, in denen der Tweed hergestellt wird und man ihn direkt vom Weber kaufen kann. Der Preis ist immer der gleiche: 20 Pfund pro laufendem Meter (ca. 80 / 90  cm breit).

Jetzt hab ich von Weberei gesprochen. Die „Weberei“ ist üblicherweise ein kleiner Holzschuppen hinterm Wohnhaus, in dem ein klappernder Webstuhl steht, an dem jemand nach Lust und Laune und Zeit fleißig in die Pedale tritt, damit am Ende Tweed rauskommt.

Die Muster sind zum Teil traditionell und zum Teil selbst entworfen. Damit Harris Tweed (geschützte regionale Bezeichnung) so heißen darf, muss er auf Harris bzw. Lewis gewebt werden. Die Wolle darf inzwischen wohl auch vom Mainland dazu gekauft werden, weil die von Lewis/Harris alleine nicht ausreicht.

Als ich vor drei Jahren auf Lewis war, hab ich Norman MacKenzie an seinem Webstuhl in Carloway zugeschaut. Er ist einer der letzten Weber, der an einer historischen Hattersley single webt. Webexperten sind bestimmt beeindruckt. Mir sagt das ehrlich gesagt nichts, aber es ist beeindruckend, ihm bei der Arbeit zuzuschauen.

Damals kostete der Meter noch 15 Pfund. Aber so sehr ich überlegt habe, mir ist absolut nichts eingefallen, was ich mir aus Harris Tweed nähen könnte und das ich dann auch anziehen würde. Also hab ich keinen gekauft.

Nachdem ich jetzt gesehen habe, dass der Tweed nicht nur zur wetterdichten Kleidung taugt…

… hab ich Norman MacKenzie noch einmal besucht und zugeschlagen. Er ist inzwischen etwas älter geworden und hat sich sehr gefreut, dass ich wieder gekommen bin, um Stoff zu kaufen.

Ich hab insgesamt 6 Meter von verschiedenen Stoffen gekauft. Das Grätenmuster heißt auf englisch Herring-Bone. Zum Stoff dazu hab ich eine Handvoll Labels bekommen, damit ich meine späteren Werke stolz als „made aus echtem Harris Tweed“ labeln kann.

Ich war natürlich auch in einem der Harris Tweed Geschäfte und wollte mir so ne richtig schicke Tweed Mütze kaufen. Und was soll ich sagen: Ich seh total bescheuert aus mit Mütze. Aber sowas von… Der Ladenbesitzer hat mich damit getröstet, dass seine Frau, die die Mützen näht, auch keine tragen kann. Ihr steht nur ein Strohhut mit breiter Krempe. Ich sollte es aber mal in Tarbert in dem Laden probieren, da gibt es eine viel größere Auswahl. Die Auswahl war toll, aber ich sah mit allen Mützen bescheuert aus, egal welche Form oder welcher Schnitt… Werde bei Gelegenheit einen Strohhut probieren…

Aber ich hab meinem Vater eine Harris Tweed Mütze gekauft. Schick, oder?

Ich selbst bin stolze Besitzerin von zwei Handtaschen geworden. Das erste Mal in meinem Leben hab ich den Impuls verspürt, mir eine Handtasche kaufen zu müssen. Und dann konnte ich mich nicht entscheiden, ob ich dringender einer kleine oder eine große brauche…

Man kann natürlich auch ganz andere Sachen mit dem Pelz der Woollys machen! Auf der „Abenteuer-Insel“ Great Bernera hab ich in Tobson die Künstlerin Sallie Tyszko besucht.

Sie ist vor einigen Jahren (schon ne Weile her) als Zwanzigjährige von London nach Schottland gekommen und wohnt mit ein paar Schafen und Angora-Ziegen und einer Kuh auf Bernera.

Sie gestaltet wunderschöne 3-dimensionale Bilder aus der Wolle ihrer Tiere. Großartig, oder?

Bei Auftragsarbeiten bekommt sie Vorgaben was Farbe und Motiv angeht, ansonsten fängt sie an zu weben und das Bild entwickelt sich erst nach und nach.

Wer ein bisschen Zeit mitbringt und länger auf den Hebriden bleibt, kann das Bilderweben in einem Workshop von Sallie lernen 🙂

Thanks Sallie for the inspiring conversation and the enjoyable time in your studio!