Abenteuer Irland als Spartourist

Wir schreiben den Sommer 2008. Ostern waren wir spontan auf Korsika gewesen, über Pfingsten in Schweden, da kam die Idee auf: In Irland waren wir noch nicht… Und weil meine beste Reisebegleiterin meistens (nicht immer) mit meinen Reiseplänen einverstanden ist, flogen wir Ende August nach Irland.

Die Idee und den Vorsatz, nach Irland zu reisen, hatte ich schon lange gehabt. Bei meinem Faible für entlegene Gegenden und als Fan der Dubliners quasi ein Muss. Weils in die Heimat von Ryanair ging, war das natürlich auch die Fluglinie unserer Wahl. Die günstigen Flugtickets brachten uns allerdings auf weitere knauserige Einfälle. So wurde der Urlaub nicht nur preiswert sondern auch zu einem Erlebnis der ganz besonderen Art.

Mal ehrlich, wenn der einfache Flug keine 30 Euro pro Mensch kostete, wieso sollten wir dann 15 Euro für eine läppische Reisetasche bezahlen? Gut, 45 Euro wären immer noch ein Schnäppchen für den Flug von Friedrichshafen nach Dublin gewesen, aber das steht doch in keinem Verhältnis? Haben wir zumindest so gesehen und beschlossen, dass wir das „Nebenkosten“-Konzept von ryanair boykottieren, auf Reisegepäck verzichten und mit dem Handgebäck für zwei Wochen in Irland auskommen.

Irgendwie haben wir es tatsächlich geschafft, unter 8 Kilogramm Handgepäck zu bleiben. Unterwäsche, ein paar T-Shirts, zwei Hosen, eine Zahn- und eine Haarbürste in den Rucksack, das war’s schon so ziemlich, was wir dabei hatten. Eine von uns hatte eine Tube Zahnpasta im Gepäck, die andere das Haarshampoo. Malis, die in der zweiten Woche mit einer anderen Billigfluglinie von München nach Cork nachreisen sollte, hatte sogar nur 6 Kilo Handgepäck frei. Weil sie gerade im Englisch Unterricht gelernt hatte, dass es in Irland häufiger regnet, reiste sie in Gummistiefeln an, weil die so cool waren und nicht ins Handgepäck passten.

Das komplizierteste an der ganzen Reise war die Zugfahrt nach Friedrichshafen. Wenn wir es schon am Starnberger See so schön haben, was müssen wir da an den Bodensee reisen? Die Verbindungen ab Tutzing waren jedenfalls dermaßen schlecht, dass wir ab Garching starteten und mein Auto auf dem Park&Ride Parkplatz stehen ließen.

Die ganze Planung sah so aus: Clarissa und ich fahren mit dem Auto nach Garching, weiter mit dem Zug nach Friedrichshafen und dann mit ryanair nach Dublin. Malis sollte eine Woche später von München nach Cork fliegen, wo wir sie mit unserem irischen Leihwagen abholen wollten. Bei der Rückreise würde Clarissa einen Tag früher (dringende Termine) von Dublin nach München zurückfliegen. Für ihre weitere Heimfahrt mussten wir deshalb ihr Auto am Bahnhof von Tutzing parken. Malis und ich flogen dann tagsdrauf zurück nach Friedrichshafen, weil wir ja wieder mein Auto in Garching einsammeln mussten. So begann unsere Reise damit, dass wir überall in Bayern (kleine Übertreibung) Autos an unterschiedlichen Bahnhöfen stationierten.

Warum wir die Geschichte so kompliziert machten, lag an den günstigen Fugtickets, die es mal bei der einen, mal bei der anderen Fluglinie gab. Soweit zur Vorgeschichte.

Als es dann endlich losging, saßen wir wegen der grottigen Zugverbindung nach Friedrichshafen erst mal am frühen Vormittag ein paar Stunden in Lindau fest. So kam ich das allererste Mal an den Bodensee. Es war bombiges Wetter und am See fand gerade ein Musik- und Kunstevent statt. Die Reise fing gut an.

In Friedrichshafen konnten wir einem Zeppelin beim Einparken zusehen. Auch ein beeindruckendes Schauspiel.

Dann endlich rein in den Flieger und rüber nach Irland.

Wir beide mit unserem Handgepäck kamen ganz lässig an und konnten gleich zur Autovermietung durchmarschieren. Da wir die ersten aus unserem Flieger waren, hatten wir 15 Minuten später den Schlüssel für einen Renault Clio in der Hand. Rucksäcke in den Kofferraum und rein in den Linksverkehr. Nach mehrmaligen Fahrtests in Neuseeland und Großbritannien war das keine große Sache, auch die Schaltung mit Links kein Problem. Ich fand uns jedenfalls richtig cool, wie wir einstiegen und sofort davonbrausten, während die anderen Continentals vorsichtig ihre Autos umschlichen und alle Hebelchens ausprobierten, bevor sie es wagten, den Zündschlüssel umzudrehen.

Für den weiteren Verlauf des Tages gab es keine Reiseplanung. Es ging Richtung Norden, weil Clarissa unbedingt nach Belfast in den botanischen Garten wollte. Wenn man mit einer Landschaftsgärtnerin auf Reisen geht, bleiben solche Wünsche nicht aus. In diesem Sinne landeten wir dann auch schon nach wenigen Kilometern in der ersten Gartenanlage samt Mansion. Das Newbridge House stammt aus dem frühen 18. Jahrhundert.

War allerdings schon geschlossen. Also gibt es nicht so viel drüber zu erzählen, wir haben eine Runde durch den Garten gedreht und sind dann weiter.

Unweit vom Meer, fanden wir nach einigen Stunden Fahrt eine Unterkunft für die erste Nacht. Es war schon dunkel geworden und wir waren mittlerweile etwas nervös, weil sich gar nichts für die Übernachtung finden lassen wollte. In der Region gab es tatsächlich nur wenige touristische Angebote in Form von Hotels oder Gasthäusern. Wir sahen uns schon die Nacht im Auto verbringen und überlegten, was wir aus unserem Minimalgepäck zur Bedeckung verwenden konnten. allenfalls unsere Jacken. Glücklicherweise fanden wir dann doch noch ein Gasthaus.

Foto vom nächsten Morgen:

Das Zimmer war ein bisschen windschief, wie meistens in den alten Häusern, aber die Betten waren wunderbar, da gab es nichts zu meckern. Nur der Übernachtungspreis war so üppig, dass ich überlegte, für den Preis könnten wir uns gleich ein Bett kaufen! Eine Idee war geboren.

Die Nacht war gut, das Frühstück ging gründlich in die Hose. Nachdem ich in Cornwall Ham & Egg als mein neues Lieblingsfrühstück entdeckt hatte, wollte ich auch Clarissa auf den Geschmack bringen. Obwohl sie nicht so der Fleischfan ist und lieber Käse auf ihr Toast gelegt hätte. Die Bedienung war mit meiner Bestellung irgendwie überfordert und fragte mehrfach nach. Das hätte mich stutzig machen sollen. Aber hatte ich doch gedacht, die essen hier alle Ham & Egg zum Frühstück und es wäre das normalste der Welt. War es nicht, was wir bekamen, war das eigenartigste Frühstück meines Lebens.

Die hatten sich extra Mühe gemacht, meine komischen Frühstückswünsche zu erfüllen und wir wussten nicht, was wir mit dem Resultat anfangen sollen. Vor uns stand ein Teller mit einer Pfütze Kochwasser, in der dickgeschnittener kalter Kochschinken und halbflüssige pochierte Eier herumschwammen.

Der obere Tteller war von Clarissa, der war nicht ganz so überschwemmt wie meiner.

Ich hab den Schinken vorsichtig mit einer Serviette trocken getupft und ihn dann aufs angebrannte Toast (siehe nächstes Bild) gelegt. Clarissa wollte ihren Schinken nicht und schob ihn mir rüber. Anschließend hatten wir das perfekte Gematsche. Ich weiß, sieht super eklig aus!

Es war total peinlich und gleichzeitig so grotesk, dass wir uns ratlos anschauten, in Lachen ausbrachen und uns nicht mehr einkriegten, was es noch peinlicher machte. Als ich das Ganze mit „incredible“ kommentierte (Clarissa und Malis hatten kurz vor der Reise den Film „The Incredible“ – die Unglaublichen gesehen), war es ganz vorbei.

Weil uns die Schweinerei wirklich sehr peinlich war, und wir die Teller so nicht zurückgeben wollten, kamen wir auf die „dummhöfliche“ Idee, das Gematsche verschwinden zu lassen. So gut es ging, haben wir den Salat in Servietten gepackt (was nicht wirklich gut ging), in die Hosentasche gesteckt und mit aufs Zimmer genommen. Dort wurde die Bescherung durchweichsicher in Klopapier verpackt und später in der nächsten Mülltonne entsorgt.

Die schwierige Suche nach einer Herberge hatte uns am Vorabend wirkich gestresst, dazu der heftige Übernachtungspreis… das brachte mich ein paar Stunden später auf eine wunderbare Idee. Es war Sonntag, was die erzkatholischen Iren aber nicht von geöffneten Geschäften im Gewerbegebiet abhält. Es regnete und wir hatten kein Konzept für den Tag… So wollten wir ein bisschen einkaufen und landeten in einem irischen Bettenlager, in dem gerade eine Super-Sonderpreisaktion lief.

Als wir den Laden verließen, hatten wir drei große Tüten mit zwei Kopfkissen und einem riesigen Doppel-Deckbett in der Hand. Alles zusammen für knapp 20 Euro. Jetzt waren wir perfekt ausgestattet, um im Auto zu schlafen und viel Geld zu sparen. Wohlgemerkt in einem Renault Clio. Aber mit runtergedrehter Rückenlehnen ließ es sich erstaunlich gut aushalten, ohne ausgeklinkte Wirbel am nächsten Morgen. Wir haben uns einfach irgendwo abseits hingestellt und waren am frühen Morgen, sobald uns das erste vorbeifahrende Auto weckte, wieder verschwunden. Die Kissen und Decke nach hinten, Rückenlehne hoch und starten.

Kuschelig, oder?

Toiletten waren kein Problem. Es gab fast überall Public Toiletts. Zum Waschen ging es an den nächsten Bach. Was allerdings schon ein bisschen schwieriger war, weil man nicht immer einfach an den Bach rankommt.

Der Kofferraum wurde nicht nur zum Bettkasten umfunktioniert, er entwickelte sich auch zu einer gut sortierten Speisekammer. Bei Hunger, Gelegenheit und Wetter legten wir als Selbstversorger nette kleine Picknickpausen ein.

Dabei konnte auch schon mal eine Friedhofsmauer zum Küchentisch werden…

Gelegentlich gab es aber auch kultivierten Kaffee oder Tea with Scones und Butter oder Karottenkuchen.

Die zweite Auto-Nacht verbrachten wir mangels besserer Stellmöglichkeiten auf einem Parkplatz an der Schnellstraße. Als der Berufsverkehr einsetzte und es zu laut wurde, fuhren wir im halbwachen Zustand weiter bis zu den nächsten Steinkreisen. Dort auf dem Parkplatz wurde der Schlaf fortgesetzt und zufriedenstellend beendet. Ab und zu kamen ein paar Steinkreisbesucher, aber die haben nicht weiter gestört.

Nach zwei Nächten im Auto waren wir dann mal wieder reif für ein richtiges Bett und vor allem für eine Dusche. So klingelten wir abends bei einem B&B und verbrachten die Nacht in einem frommen katholischem Haushalt mit goldenen Überdecken und Bibel in der Nachttischschublade.

Es gibt Leute, die finden B&Bs ganz toll, weil man da „Einheimische“ und ihre Lebensweise kennenlernt. Ich gehör nicht zu diesen Leuten. Es ist mir zu intim und durchbricht meine Komfortzone, wenn ich unbekannten Menschen auf einen Schlag so nahe komme. Clarissa ging es ähnlich, wir waren beide froh, als wir die heiligen Hallen am nächsten Tag wieder verlassen konnten und freuten uns auf die nächste Nacht im Auto.

Mit uns hatte eine very old und schon etwas wackelige Lady in dem B&B genächtigt. Sie war mit dem Fahrrad durch Irland unterwegs! Als wir uns vor dem strömenden Regen schnell ins Auto flüchteten, zog sie sich ohne eine Miene zu verziehen, ihr Regencape über und radelte stoisch davon. Die war tough!

Insgesamt haben wir vier Nächte im Clio verbracht. Die 20 Euro Investition hat sich bezahlt gemacht. Zumal Clarissa ihr Kopfkissen irgendwie in ihren Rucksack gestopft gekriegt hat und es im Rahmen ihres 6 kg Handgepäcks mit nach Hause nahm. Soweit ich weiß, schläft sie noch heute auf diesem Kissen.

Nach einer Woche Zigeunerleben holten wir Malis in Cork vom Flughafen ab und hatten in der zweiten Irlandwoche ein Ferienhaus. Damit war die Tingelei vorbei. Die große Doppeldecke und das zweite Kissen haben wir bei Abreise einfach in den Schrank des Ferienhauses gesteckt, grad so, als würden sie ins Haus gehören. In der Straße gab es praktischerweise einen Altkleidercontainer. Damit wir das zulässige Handgepäck-Gewicht nicht überschreiten, landeten hier mehrere ausrangierte Kleidungsstücke, die durch irische Neuerwerbungen ersetzt wurden.

Die Woche im Ferienhaus ist dann eine andere (etwas kuriose) Geschichte.