Ein bisschen Italien im Nordatlantik

Wenden wir uns der neueren Geschichte der Orkneys zu – dem zweiten Weltkrieg und seinen eindrucksvollen Hinterlassenschaften. Da sind vor allem diverse Schiffswracks, Betonbarrieren, die die Inseln miteinander verbinden und eine italienische Kapelle zu nennen.

Während des zweiten Weltkrieges nutzte die britische Marine Scapa Flow, eine natürliche Bucht, die durch mehrere Orkney Inseln gebildet wird, als Ankerplatz. Um deutschen Kriegsschiffen die Zufahrt aus Osten zu versperren, wurden die vier östlichen Zufahrten mit versenkten Schiffen blockiert. Das reichte jedoch nicht aus. Ein deutsches U-Boot kam durch und versenkte das Kriegsschiff Royal Oak. 800 Menschen verloren ihr Leben.

In Folge verließ die Marine ihren Ankerplatz um Orkney, bis die Eingänge durch Barrieren aus Stein und Beton gesichert waren. Diese wurden von mehreren hundert italienischen Kriegsgefangenen errichtet, die Churchill nach Orkney deportieren ließ.

Die vier Abschnitte der Barrieren (Churchill Barriers) sind knapp 2,5 km lang. Als Fundament wurden zunächst 250.000 Tonnen Steine und Felsen auf dem Meeresboden aufgebracht – an einigen Stellen waren die Zugänge mehr als 17 Meter tief. Auf dem Fundament wurden dann die Dämme errichtet. Sie setzen sich aus 66.000 riesigen Betonklötzen zusammen, die von den Italienern hergestellt wurden.

Die Barrieren sind zwar gezeitensicher, aber bei rauer See und Sturm kann das Überqueren durchaus gefährlich sein, deshalb obiges Warnschild.

Die deportierten Italienern indess fertigten nicht nur die geforderten Betonklötze an. Wenn sie schon fern der Heimat waren, wollten sie es sich so angenehm wie möglich machen. So gestalteten sie ihr Lager, das aus einfachen Hütten bestand, ganz nach ihrem Gusto etwas um. Sie bauten Betonwege, pflanzten Blumen an. Sie bauten ein Theater und eine Barracke zur Erholung, in der sie unter anderem einen Beton-Billardtisch aufstellten. Und der gefangene Künstler Domenico Chiocchetti schuf aus Stacheldraht und Zement (davon hatten sie ja genug) die Figur des heiligen Georg. Fehlte nur noch eine Kapelle…

Die bekamen sie auch bewilligt – es dauert allerdings etwas bis aus zwei Barracken eine Kappelle bauen konnten. Die Barracken wurden mit den Enden zueinander gestellt und zusammengefügt und Chiocchetti begann mit Hilfe weiterer Gefangener mit der künstlerischen Ausgestaltung. So kam Orkney zu der „Italian Chapel“

Auf die ganzen künstlerischen Details einzugehen, würde den Rahmen sprengen. Aber die kleine Kapelle ist ein echtes Meisterwerk! Die Decken und Wände sind mit Gips ausgekleidet und so bemalt, dass es wie Backsteinbau aussieht. Der Sockelbereich imitiert Steinmetzarbeiten.

Das Altarbild mit Maria und Jesus geht auf das Bild der „Madonna der Oliven“ von Nicolo Barabino zurück.

Nach dem Krieg verschwand das ganze Lager. Nur der heilige Georg und die Kapelle blieben. Um die Kapelle zur erhalten, wurde Ende der 50er Jahre ein Kommitee gegründet. Und was ich sehr schön finde, 1960 kam Domenico Chiocchetti noch mal nach Orkney und nahm während seines dreiwöchigen Besuchs verschiedene Reparaturarbeiten vor. 1964 war er ein weiteres Mal zusammen mit seiner Frau Maria auf Orkney. 1992 kamen acht der ehemaligen Kriegsgefangenen für einen dreitätigen Besuch. Chiocchetti war zu dem Zeitpunkt aber schon sehr gebrechlich, sodass er nicht mehr dabei war. Er starb 1999 im Alter von 89 Jahren.

Also unbedingt anschaun, die Kappelle ist ein echtes „must have seen“ auf Orkney!

Noch zwei Fotos von unterwegs:
Die Telefonzelle steht irgendwo an der Straße nach Kirkwall. Ich finde diese einsamen Telefonzellen zu süß. Ich hab extra angehalten und wollte mal mitten aus der Pampa anrufen. Aber es werden nur Notrufe entgegengenommen, und einen solchen musste ich zum Glück nicht tätigen.

Ein Verwandter von Pippi Langstrumpfs kleinem Onkel!