Die Geschichte war schon vor mir da: Hausvik Fort

Nachdem ich Lindesnes Fyr verlassen hatte, hatte ich mit der deutschen Besatzungsgeschichte in Norwegen gedanklich schon wieder abgeschlossen. Aber gleich am nächsten Tag kam ich rein zufällig nach Hausvik Fort und stand schon wieder mitten drin in der Geschichte.

Nach Hausvik kommt man auf kleinen verschlungenen Schotterwegen, auf denen ich nur deshalb unterwegs war, weil ich auf einen schönen Stellplatz in der Vik (=Bucht) hoffte. Dass es hier ein Fort gibt, las ich zum ersten Mal auf dem „Sehenswürdigkeit-Schild“, einen Kilometer vor dem Ziel. In den Tourismusbroschüren wird die Befestigungsanlange mit keinem Wort erwähnt – jedenfalls nicht in den deutschsprachigen – und auch die Straßenkarte schweigt sich aus.

Nach dem es mit dem Stellplatz in der Bucht nicht geklappt hatte, spekulierte ich nun auf einen Parkplatz vor dem Fort. An die Bedeutung des Wortes Fort verschwendete ich dabei nicht einen Gedanken. Den Parkplatz gab es und ich hatte ihn ganz für mich alleine. Bis 22 Uhr war es ziemlich laut, weil in der Nachbarschaft ein „irgendwas“-Abbaugebiet ist und die Bagger und Maschinen der Spätschicht ordentlich in den Felsen rumsten. Danach war Ruhe und ich schlief wunderbar.

Am nächsten Morgen wollte ich mir auch das Fort ansehen. Wenn ich schon mal da war. Ich erwartete irgendwas Wikingermäßiges oder Mittelalter oder keine Ahnung. Jedenfalls nicht wieder 2. Weltkrieg.

Rossi musste erstmal den Wald aufräumen, ist klar!

Der Weg vom Parkplatz führte über ein längeres Stück steil runter zu einer schönen Bucht mit Bootsanleger.

Dann ging es wieder hoch, ohne, dass das Ziel zu erkennen war. Als ich die erste in Fels geschlagene Kammer sah, wusste ich, dass es nichts mit Wikingern oder Mittelalter zu tun hatte.

Was mich überraschte: Die Anlage ist offen. Die in Fels gesprengten Kammern, Tunnel und Gänge sind frei zugänglich – für Mensch und Tier. Alles noch da. Nur das Kriegsmatererial wurde nach dem Krieg natürlich entsorgt. Und von den demontierten Baracken und Gebäuden sieht man nur noch die Grundmauern.

Die Befestigungsanlage wurde unter deutscher Bauleitung von norwegischen Arbeitern und etwa 30 russischen Kriegsgefangenen gebaut. Es wurden Baracken, Bunker, Wege und Stellungen gebaut, Schützengräben gegraben und ein Netzwerk von Tunneln in den Fels gesprengt. 1943 wurden vier Geschütze mit einer Reichweite von 10.000 Metern aufgestellt, um feindliche Übergriffe abwehren.

Zu Kampfhandlungen ist es in Hausvik nie gekommen, aber im Januar 1945 wurde ein norwegisches Handelsschiff versenkt. Ganz schlau bin ich aus den Infotafeln nicht geworden, mir scheint es zwei verschiedene Erklärungen zu dem Vorfall und der Schuldfrage zu geben. Es läuft auf jeden Fall darauf hinaus, dass der Beschuss ein Irrtum war, weil sich A: das Schiff nicht richtig zu erkennen gab, oder B: irgendein Trottel es nicht gepeilt hat und den Schießbefehl gab. Die Besatzung konnte sich glücklicherweise mit Rettungsbooten retten. Aber die kriegswichtige Versorgungsladung war weg.

Die Geschützstellungen waren durch eine große, in den Fels gehauene Tunnelanlagen verbunden, mit Räumen zur Lagerung von Granaten, Mannschaftsunterkünften und einem Lazarett. Das ist alles offen, und man kann rein.

Ich hatte jedoch keine Taschenlampe dabei, und konnte nur ein bisschen was mit dem Kamerablitzlicht ausleuchten. Ich hätte es aber auch mit Licht zu spooky gefunden, da alleine durch die Gänge zu krauchen. Und auf den Felsen herumzuklettern und nach weiteren Spuren zu suchen, war mir zu rutschig.

Einziges erhaltenes Gebäude in Hausvik Fort ist die Gefangenen Unterkunft.

Die Hütte ist ein 12-Kant, das aus fertigen Sektionen zusammengesetzt ist. Im norwegischen Informationstext wird vermutet, dass die Hütten in Deutschland als Massenprodukt hergestellt und in die Kriegsgebiete transportiert wurden.

Nach dem Krieg hatte ein Norweger die Hütte für 60 Kronen gekauft, auseinander gebaut, abtransportiert und auf seinem Grund wieder aufgebaut und als Lagerhalle genutzt. Sein Sohn gab die Hütte später wieder zurück, seit 1998 steht sie wieder am Originalstandort.

Im Inneren hängen einige Drucke von Arne Årmland, der die Situation in Hausvik in Bildern festgehalten hat.

Außerdem gibt es Fotos und weitere Informationen – allerdings nur auf norwegisch. Insgesamt gab es 500 Gefangenenlager in Norwegen, in denen 150.000 norwegische und ausländische Gefangene untergebracht waren. Die meisten waren russische, jugoslawische und polnische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. Sie wurden als Arbeitskräfte ausgebeutet, um die „Festung Norwegen“ zu erschaffen.

Vor der Hütte wurde ein Grillplatz angelegt. Ich tippe darauf, dass es kürzlich einen Schulausflug nach Hausvik gab, denn in der Hütte fanden sich noch ein paar Grillwürstchen. Worüber sich mein Hund seeeeehr und ich mich überhaupt nicht freute.

Als er auf einmal zu schmatzen anfing, dachte ich, er hätte sich über Rattenköder hergemacht. Dann fand er noch ein Würstchen und ich war halbwegs beruhigt. Aber auch nicht sehr, ich wusste ja nicht, welches MHD das Würstchen hatte. Schien aber glücklicherweise noch verträglich gewesen zu sein. Puh!

Also für den Besuch von Hausvik unbedingt Taschenlampen mitnehmen und auf den Hund aufpassen!