Nachmittags im Dschungel

Schnell hin, noch ist der Regenwald nicht abgebaut. Und es ist auch gar nicht so weit. Gerade mal 92 km sind es ab Haunshofen City, schon steht man vor dem Eingang des Rosenheimer Lokschuppen und ein paar Schritte weiter im Urwald.

 

Gut, das war jetzt nicht ganz die Wahrheit. Man steht natürlich nicht im Urwald, sondern im Lokschuppen in der Regenwald-Ausstellung. Bis in den echten Dschungel sind es noch ein paar Kilometer weiter, wie das Schild vor dem Eingang zeigt.

Es bleibt zwar ungeklärt, ob die 16.061 km auf die Entfernung zum Kongo, Amazonasgebiet oder Borneo/Papua Neuguinea anspielen, in der Ausstellung geht es auf alle Fälle um alle drei Regenwaldgebiete. Um die Flora, Fauna und die Menschen im Regenwald, um das Ökosystem Regenwald und natürlich auch um die Ausbeutung des Regenwaldes.

Die Ausstellung wurde von 15 Kuratoren aus unterschiedlichen Fachbereichen ausgestattet, die hier ihr Wissen und Material gebündelt haben. Das Ergebnis ist toll. So sind in der Ausstellung z. B. viele Tierpräparate und seltene Exponate wie eine Panzerweste aus der Haut des malaiischen Schuppentieres zu sehen. Außerdem gibt es über 50 Medienstationen mit erklärenden Filmen und Mitmachaktionen. Insgesamt wurden fast 2,5 Millionen Euro in die Ausstellung investiert. Also sehen, hören, fühlen, riechen – den Dschungel erleben!

Tür auf, schon steht man mitten im Wald und weiß kurz darauf: ohne Pilze kein Regenwald. Verrückt! Die endlos riesigen Bäume stehen auf einem völlig nährstoffarmen Boden. Wenn die Pilze nicht durch ihren Stoffwechsel für Nährstoffe sorgen würden, wär da nichts als eine öde Landschaft.

Die erste Herausforderung nach dem Betreten der Ausstellung lautet: Begib dich in die Dschungel-Sauna (wer nicht mag kann aber auch außen rum).

In einer klimatisierten Schleuse wird man mal kurz auf Äquator eingestellt: 30 Grad und eine Luftfeuchtigkeit von 80% schlagen einem entgegen. Der Weg führt über weiches Moos – bzw. über einen Schaumstoffbelag, der dem Dschungelboden nachempfunden ist. Ja, das Klima ist schon etwas anders als bei uns. Die Temperatur empfinde ich zunächst gar nicht als so schlimm, aber bereits nach wenigen Schritten hab ich das Gefühl, dass mir die Hose an den Beinen klebt. Nach etwa 5 Metern endet der Klimaausflug wieder. Hat für einen Eindruck völlig gereicht. Gut, dass sie nicht die ganze Ausstellung authentisch klimatisiert haben.

Vor einer großen Regenwald-Wand gibt es ein „Meet & Great“ mit verschiedenen Waldbewohnern und einigen ganz besonderen Pflanzen, wie der Würgefeige, eine Art pflanzenverdauende Anakonda.

Über ein Steuerpult lassen sich die gewünschten Tiere oder auch Pflanzen orten.

Auf Knopfdruck wird in den Dschungel hinein gezoomt, auf die Höhe bzw. Tiefe, wo die Tiere/Pflanzen anzutreffen sind. Gleichzeitig werden (soweit vorhanden) die entsprechenden Exponate rechts und links der Wand angestrahlt.

Das südamerikanische Paka ist mit dem Meerschweinchen verwandt. Sorry, unscharf, aber unter den Lichtbedingungen war es wirklich schwierig zu fotografieren, ich hätte das Stativ einpacken sollen…

Der Kuskus soll nach Papua Neuguinea gekommen sein, als es noch eine Landverbindung zu Australien gab.

Über das Faultier hab ich gelernt, dass in seinem Fell Motten leben! Umpf.

Gut das Präparat sieht tatsächlich so aus, als könnte es einen Kammerjäger brauchen, aber bei einem lebenden Tier würde man das ja nicht erwarten. Die Faulpelze sind solche Bewegungslegastheniker, dass sie nur einmal in der Woche koten müssen. Und dann kommen die Motten sofort raus aus dem Pelz und ab auf die Faultierkacke zum Eierlegen. Wie gesagt, der Regenwald ist sehr nährstoffarm, da muss alles verwertet werden…

Die vielen Medienstationen in der Ausstellung sind wirklich gelungen, man merkt, dass nicht nur Wissenschaftler sondern auch Spezialisten für Medientechnik an der Ausstellung mitgewirkt haben. An dieser Station muss man z.B. an einer Mini-Liane ziehen, damit das nächste Bild angezeigt wird.

Hier bekommt man eine Trommelnachricht mit hohen und tiefen Tönen vorgespielt, die man nachtrommeln muss. Klingt easy, aber den richtigen Druck auf die Trommel auszuüben, ist doch nicht so einfach.

Wer ein bisschen Zeit hat, kann einen Schnellkurs im Flechten mitmachen.

An dieser Station hab ich mich köstlich amüsiert. Zu sehen ist das Gerüst einer Hütte, wie sie die Eipo Indianer im Hochland von Papua Neuguinea bauten. In dem Film kann man ihnen dabei zusehen, wie man so eine Hütte hinstellt.

Es ist ein unglaubliches Gewusel von nackten Männern, die sich dicht auf dicht auf den Bauplatz drängen. Keiner gibt eine Anleitung, alle scheinen einfach völlig unkoordiniert irgendwas zu machen und am Nachmittag kommt eine Hütte heraus.

So wird gezählt…

Was wie eine Art hübscher Backofen-Handschuh aussieht, ist ein richtiges Foltergerät, mit dem junge Männer der Sateré-Mawé (unterer Amzonas) ihre Stärke beweisen.

In den Handschuh werden  zum Ameisenfest, riesige giftige Ameisen eingesetzt, mit dem Stachel nach innen. Die Männer stecken ihre Hände und Unterarme in den Handschuh und den Rest kann man sich denken, wenn man die Ameisen gesehen hat. Die Arme haben anschließend ein völlig neues Format…

Ich kann natürlich nicht alles von der Ausstellung erzählen, aber Gifteinsatz und Kopfjagd kommen auch nicht zu kurz.

Eine wunderbare Entdeckung: Hallo-Wach aus dem Amazonas-Regenwald.

Guaraná ist eine Kletterranke, aus der sich die Sateré-Mawé ein koffeinhaltiges Getränk brauen. Die brasilianische Getränkeindustrie entwickelte daraus die Antwort auf Cola. Dafür bin ich ihnen wirklich dankbar.

Verhütung aus dem Regenwald.

Ein Okapi (Waldgiraffe) aus dem Kongo. Es wurde als eines der letzten Großsäugetiere erst 1901 von den Europäern entdeckt.

Die Tiere sind so scheu, dass sie bis heute kaum erforscht sind. Wie scheu, das kann man auch direkt in der Ausstellung erleben. Sobald man sich dem Tier nähert, geht das Licht aus. Echt fies! Das ausgestellte Okapi ist das erste, das nach Europa kam und steht sonst in München im Museum.

Ein Kasuare, das größte Landtier auf Papua Neuguinea

An lebenden Tieren gibt es in der Ausstellung nur zwei Arten zu bestaunen und die sind glücklicherweise ausbruchsicher hinter Glas untergebracht.

1. Treiberameisen. Ich weiß, man erkennt nicht viel. Die Tierchen sind so winzig und wuseln so dicht aufeinander, dass man sie kaum von der Baumrinde unterscheiden kann.

2. Die Blattschneiderameisen sind zwar etwas größer, aber für Leute ohne Mikroblick, gibt es eine Leinwandübertragung in die Ameisenwelt.

Es gibt mehrere Stationen zum Schnuppern, an denen man Wohlgerüche von Vanille und Kakao in der Nase hat. Und es gibt die Rafflesia auf Borneo. Sie ist die größte Blüte weltweit, kann bis zu 11 kg schwer werden und bis 1 Meter im Durchmesser. Hübsch anzusehen, aber für die Nase nur schwer zu ertragen. Mit ihrem Geruch nach verfaultem Fleisch lockt sie Schmeißfliegen an.

Und dann bricht plötzlich ein tosendes Gewitter herein und der Regen prasselt auf die Blätter runter. Keine Sorge, man verlässt die Ausstellung garantiert trockenen Fußes. Das Gewitter und der Regen kommen aus der neuen Tonanlage des Lokschuppens. Durch die Koppelung an die Lichtanlage erlebt man beim Gang durch die Ausstellung viele tolle Licht- und Toneffekte und fühlt sich wirklich ein bisschen wie im Regenwald. Außer, dass man sich nicht in seinen Klamotten totschwitzt.

Was für bekloppte Europäer im Regenwald unterwegs waren, kann man in dieser gemütlichen Fernseh-Ecke verfolgen.

Es läuft Werner Herzogs Film „Fitzcarraldo“ mit Klaus Kinski in der Hauptrolle. Der Film erzählt die Geschichte des erfolglosen Gummibarons Sweeney Fitzgerald, der im peruanischen Regenwald ein Opernhaus bauen wollte – in einem Gebiet das weder über Wege noch Flüsse zu erreichen war. So ließ er von hunderten von Asháninkas einen Flußdampfer über einen Berg ziehen. Die Sache ging natürlich in die Hose.

Auch die Verfilmung der Geschichte stand mehrfach kurz vorm Scheitern, unter anderem weil Herzog langsam selber zu Fitzcarraldo mutierte. So bestand er auf einem echten Dampfer im Urwald statt einem Plastikschiff, das durch den Botanischen Garten gezogen wird. Er ließ hunderte von Bäumen für den Film fällen und riskierte mehrfach das Leben von Schauspielern und Indios. Ich hab mal in einem von Kinskis Büchern über den Film gelesen, aber auch andere Schauspieler haben erzählt, dass die Dreharbeiten die Hölle waren. Über Klaus Kinski und seine berüchtigten Wutausbrüche muss man nicht viel sagen. Laut Herzog sollen die Indios während der Dreharbeiten angeboten haben, ihn zu töten.

Die letzte Station des Urwaldabenteuers ist ein Panorama Kino, in dem man sich noch mal ganz dem Dschungel-Feeling hingeben kann.

Die politisch korrekte Schoki für’s Kino oder zum Mitnehmen gibt es aus dem Automaten.

Ich hab natürlich nur einen Bruchteil der Ausstellung gezeigt. Zum Beispiel ist dem Thema Regenwald-Ausbeutung und Rettung sehr viel Platz eingeräumt worden. Wenn man geht, hat man viel gesehen, aber auch viel zum Nachdenken.

Eine sehr schöne Idee finde ich die „Wünsche für den Regenwald“.

Die Ausstellung geht noch bis 31. November. Ein sehr guter Zeitpunkt, um die Ausstellung in Ruhe zu erleben, ist unter der Woche am frühen Nachmittag – so ab 13 Uhr, wenn die Schulklassen weitergezogen sind.

Also ab in den Dschungel!