Eine lange Sonnenwend-Nacht bei den Callanish Stones

Erkenntnis nach einer grauen düsteren Nacht: Man sollte nicht darauf vertrauen, dass die Sonnenwendfeier am längsten Tag des Jahres stattfindet. Jedenfalls nicht bei den Callanish Stones…

Die Druiden auf Lewis hatten sich nämlich schon in der Nacht des 20. Juni bei den Callanish Stones verabredet, um auf ihren Trommeln zu schlagen und in die Digeridoos zu trompeten. Sie waren einen Tag zu früh, bzw. ich war einen Tag zu spät für die Sonnenwendfeier…

Als ich am Abend des 21. Juni bei den Callanish Stones ankam, in Erwartung, an einer unvergesslichen Sonnenwendfeier teilzunehmen, war da nichts. Keine Sonne, keine Leute (nur ein paar Touristen wie immer) und vor allem keine Party. Nur graue Wolken, der leise heulende Wind und alle 10 Minuten Regen für 20 Minuten. Und natürlich die Steine, die waren auch da – wie immer…

Die Sonnenwendfeier hatte bereits am Vorabend stattgefunden, den ich bei einem perfekten Sonnenuntergang am Siabost Strand verbracht habe – gerade mal 10 bis 15 km von dem Steinkreis und der Party entfernt.

Ich am verkehrten Ort, während die Druiden aus ihren Löchern – äh Zelten – hervorgekrochen sind, um etwas zu zelebrieren, das vermutlich nur Druiden verstehen. Während sie ihren Trommeln und Digeridoos mystische Klänge entlockten, habe ich „Bridget Jones Diary“ gelesen, um mein Englisch auf Vordermann zu bringen. Immerhin hab ich ein paar wichtige neue Worte gelernt: FUCK, FUCK, FUCK. Okay das ist kein wirklich neues Wort, aber Dank Bridget weiß ich nun, dass man es dreimal in Großbuchstaben sagen muss, um zu unterstreichen, dass man wirklich angepisst ist.

FUCK, FUCK, FUCk, ich hab die Sonnenwendfeier verpasst und keinen mystischen Spirit abbekommen.

Das einzige mystische, das ich entdecken konnte, als ich am Abend drauf, also dem 21. Juni, bei den Steinen ankam, waren einige Zelte in der Nachbarwiese.

Die ganzen mystischen Leute saßen zusammen in einem großen Zelt und wurden nicht bei den Steinen gesehen. Vielleicht war es zu kalt oder zu nebelig. Ein paar Tyoen spazierten mit einer Bierdose in der Hand herum. Ich grübelte, ob sie vielleicht diejenigen sind, von denen im Falle des Falles ein Mirakel zu erwarten wäre. Nicht sicher.

Ingesamt waren vielleicht 10 Leute bei den Steinen. Zwei davon fielen durch ein leicht abgedrehtes Verhalten auf. Die anderen waren normale Touristen. Die Frau von dem Abgedrehten rannte von einem Stein zum anderen, streichelte jeden einzelnen und umarmte ihn zweimal.

Bitte nicht die Steine berühren… Aber wenn der Geist über dich kommt, werden manche Leute zu Analphabeten

Bis dahin hab ich das nur leise für mich gedacht. Aber als er auf den Stein kletterte (keine Ahnung, warum man das tun muss), fühlte ich den Geist, etwas zu sagen, um die Steine für die nachkommenden Generationen zu retten.

Ich: Nicht die Steine berühren heißt glaub auch, nicht auf ihnen herumzuklettern?
ER: Oh, das ist in Ordnung, kein Problem.
ICH: Na ja, ich finde, es ein bisschen dumm, auf den Steinen herumzuklettern.
ER: Kümmer dich einfach nicht drum Liebling.
ICH: Klar, mein Lieber…

Es ist sinnlos, mit Leuten zu reden, wenn sie der Geist der Dummheit übermannt hat. Leute wie die beiden Abgedrehten sind schuld, wenn es demnächst Absperrungen wie in Stonehenge gibt.

Später lagen die Beiden in der Grube im inneren Steinkreis, um den ganzen Geist einzufangen. Keine Ahnung, ob das gegen Dummheit hilft. Vermutlich nicht.

Während ich so rumstand und auf die Rückkehr der Sonne wartete, oder dass etwas passiert, hatte ich Zeit mir Gedanken über den attraktiven Typen auf der Steintafel zu machen.

Wer ist er? (Sorry, ich hab wirklich keine Ahnung von Druiden…) Eine mystische Gottheit? Shamham oder wie der Typ heißt? Gut. Aber was hat die Nektarine damit zu tun? Mag er Südfrüchte? Oder ist die Nektarine gar kein Produkt des 20. Jahrhunderts? War sie schon im Altertum bekannt und wuchs auf den Hebriden?

Ich machte noch ein paar Fotos und dann den Abgang von der nicht stattfindenen Sonnenwendfeier

Und dann traf ich ihn: den Lord der Dunkelheit oder Unterwelt oder keine Ahnung von was höchstpersönlich. Gleich in der nächsten Weide stand er und starrte mich aus feurigen Augen an. Huh!

Nach dieser gruseligen Begegnung machte ich mich auf die Suche nach dem nächsten Hotspot, um im Internet zu recherchieren, was denn nun mit der Sonnenwendfeier ist. Entdeckte, dass sie schon gestern stattgefunden hat. Mist! Aber vielleicht würden die Jungs doch noch mal wieder kommen? Die Zelte und das Portraitfoto waren ja noch da. Bevor ich die große Show doppelt verpasste, fuhr ich wieder zurück. Um 23 Uhr war es noch ein bisschen grauer, dunkler und mehr Regen.

Shamhain oder wie er heißt, hatte in der Zwischenzeit noch mehr Geschenke bekommen.

Und es wurde noch grauer und dunkler

Die Polizei fuhr Streife, ob die Steine noch stehen

Je dunkler es wurde, desto mehr Leute tauchten auf. Ich wartete gespannt auf die großen Dinge, die passieren würden.

Aber gar nichts ist passiert. Sie standen nur rum, tranken Bier und unterhielten sich, oder sie unterhielten sich nicht, schauten in den grauen Himmel oder auf die Steine. Einige waren Steinkreis Experten und unterhielten sich über Shamhain oder wer das nun ist und seine Kraft (Huh?) Aber die meisten waren Jugendliche aus dem Ort, die sich über Dinge unterhielten, über die sich Jugendliche unterhalten.

Einer von ihnen hatte einen Border Terrier namens Donald mitgebracht. Donald rannte von einem Stein zum anderen und umarmte sie auf seine Weise, indem er feierlich das Bein hob. Glücklicherweise saß mein Hund Rossi im Auto und bekam das nicht mit. Der hätte geheult, wenn er das gesehen hätte. Er hatte nicht einen einzigen Tropfen vergießen dürfen!

Dann kam Bewegung in die „Party“. Ein Mann und eine Frau mit Blumenkränzen auf dem Kopf kamen durch das Tor, an der Hand einen barfüßigen Jungen in ihrer Mitte. Alle schauten sie erwartungsvoll an und warteten gespannt auf irgendwelche mystischen Dinge. Aber sie spazierten nur einmal mit ihrem Kind um den inneren Steinkreis und verschwanden dann wieder in ihrem Zelt. Besser so! Der arme Junge hatte keine Schuhe an!

Ich hatte kein Bier und fühlte mich zu alt für eine Unterhaltung mit den Jugendlichen und zu ungläubig und ahnungslos für die Shamhain-Leute. So hab ich die nicht stattfindende Sonnenwendfeier gegen 23.30 wieder verlassen.

Aber immerhin hatten drei Lebewesen einen mystischen Abend: Die beiden Abgedrehten und Border Terrier Donald.

Bin immer noch schwer enttäuscht, dass ich das Spektakel verpasst habe. Was hätte alles passieren können, wenn der Geist über mich gekommen wäre? Versuche mich damit zu trösten, dass ich bereits zwei perfekte Sonnenuntergänge bei den Callanishs erlebt habe. So kann es aussehen, wenn der Sonnenuntergang Sonne hat…

Am nächsten Morgen hab ich kontrolliert, ob die Steine noch stehen. Alles in Ordnung!

Einige Touristen tanzten um die Steine – alles wie immer…

Shamhain hatte sein Bild und die Geschenke eingepackt und war dahin zurück gekehrt, wo er hergekommen ist…

Nur ein paar Blumen hat er liegenlassen. Wahrscheinlich gibt es genug davon, da wo er lebt…

Wie es aussieht, ist er durch das Nordtor verschwunden. Singend (vielleicht) und die Nektarine essend (definitiv!)

Vielleicht war die Nektarine nicht nach seinem Geschmack, oder sie war nicht mehr frisch? Er hat sie nicht aufgegessen!

Damit bin ich am Ende meiner aufregenden Sonnenwendfeier angelangt und wie man sieht hat der Geist mich doch berührt. Ich hab die ganze Geschichte nicht nur in deutsch sondern auch in Englisch erzählt.  Bridget Jones sei Dank! FUCK, FUCK, FUCk!