Thor Heyerdahls Kon-Tiki Abenteuer

Ein ganz großer Held seit meiner Kindheit ist der Norweger Thor Heyerdahl (1914-2002). Also allein schon mal deshalb, weil er Norweger war und ich mich als 10-jährige auf immer und ewig in Norwegen verliebt habe. Und dann natürlich weil er solch unglaubliche Abenteuerfahrten übers Meer gewagt hat: auf einem primitiven Balsa-Holz-Floß und später mit Schilfbooten.

Die erste große Expedition, die Thor Heyerdahl weltberühmt machte, war die Fahrt auf dem Floß Kon-Tiki von Peru nach Polynesien. Heyerdahl wollte mit der Expedition beweisen, dass die ersten Bewohner Polynesiens aus Peru kamen. Also ein Floß nach historischem Vorbild aus Balsaholz gebaut und raus auf’s Meer. Ohne das Floß steuern zu können, segelten sie mit den Strömungen gen Polynesien.

Am 28. April 1947 brach die Kon-Tiki mit 6 Mann an Board auf, außer dem Schweden Bengt Danielsson waren alle Norweger. Nach 101 Tagen auf See, während der die Kon-Tiki knapp 7.000 km zurücklegte, kamen sie mit Ach und Krach tatsächlich in Polynesien an. Vor Raroia liefen sie auf einem Riff auf, wodurch die Kon-Tiki stark beschädigt wurde. Heyerdahls Theorie war bestätigt, die Reise wäre möglich gewesen, die Polynesier könnten aus Peru stammen. Dass sie tatsächlich aus Südamerika stammten, bewies die Expedition jedoch nicht. Es könnte ja auch ganz anders sein. Wo sie denn nun hergekommen sind, weiß bis heute keiner so richtig. Neuere genetische Untersuchungen weisen gen Asien – also die andere Richtung.

Eines, was mich als Kind unglaublich an der Kon-Tiki Expedition faszinierte, war, dass die Männer während der Fahrt Fische fingen und deren Lymphflüssigkeit tranken. Es gab auch Wasservorräte an Board, die mit gesammeltem Regenwasser aufgefüllt wurden. Aber sie bewiesen damit, dass sie auch ohne Wasser oder Vorräte hätten überleben können. Das mit den Fischen fand ich unglaublich. Find ich immer noch unglaublich. Muss ich nicht ausprobieren, aber dank Heyerdahl weiß ich, dass ich auf einer Planke im Ozean treibend überleben könnte, wenn es mir nur gelingt, eine ausreichende Menge Fisch zu fangen.

Nach der Kon-Tiki Expedition startete Heyerdal weitere archäologische Feldstudien in Südamerika, um seine Theorien vom frühen interkontinentalen Reisen zu beweisen. Eine verbreitete archäologische Theorie ist, dass Menschen unter ähnlichen Voraussetzungen ähnliche Lösungen entwickeln. Damit ließen sich ähnliche Kulturgüter wie die Pyramiden und Schilfboote in Ägypten, Polynesien und in Südamerika erklären. Heyerdahl war jedoch von einem frühen „interkontinentalen Austausch“, überzeugt und versuchte dies bis an sein Lebensende mit Expeditionen und Forschungen zu belegen. Insgesamt ging er im Selbstversuch viermal mit wackeligen Booten auf Reise übers Meer.

1969, zweiundzwanzig Jahre nach der Kon-Tiki, versuchte er mit einem Papyrusboot von Marokko aus Amerika (Barbados) zu erreichen. Es hätte klappen können, aber die Ra, für die ägyptische Wandmalereien als Vorlage dienten, hatte verschiedene Konstruktionsfehler. Was angesichts solch detaillierter Bauzeichnungen kaum verwundert! Nach 56 Tagen auf See mußte, wenige Tage von Barbados entfernt, abgebrochen werden, als sich die Ra nach einem Sturm aufzulösen begann. Konstruktionsfehler, sonst wär das nicht passiert!

1970 startete Heyerdal einen zweiten Versuch. Die Ra II ließ er nicht wie das erste Boot von Afrikanern vom Tschadsee bauen, sondern von vier Aymara-Indianern vom Titicacasee. Auch dieses Boot war nicht perfekt, aber es gelang, nach 57 Tagen erreichte die Ra II Barbados.

Sieben Jahre später gab es eine vierte und letzte Seesreise, mit der Heyerdahl beweisen wollte, dass die Sumerer aus dem Zweistromland bereits vor 6.000 Jahren mit Schilfbooten nach Indien und Afrika gelangten und dort Handel betrieben. Die Reise wurde in Al-Qurna (Irak) gestartet, ging durch den Arabischen Golf und den Golf von Oman nach Karratschi (Pakistan) und führte dann über das arabische Meer und den Golf von Aden. Dann steckten sie in einer Sackgasse. Weil sich der Nord- und Südjemen gerade bekriegten, durfte die Tigris dort nicht an Land gehen, auch nicht in Somalia oder Äthiopien. Es blieb nur die Fahrt zurück.

Nach 143 Tagen und 6.800 km auf See verbrannten Heyerdahl und die Besatzung die Tigris im Rahmen einer Protestaktion auf dem Meer vor Dschibuti.

Das war Heyerdahls letzte nautische Abenteuerfahrt – zu dem Zeitpunkt war er immerhin schon 66, also nicht mehr der jüngste Seefahrer. Die nächsten 21 Jahre widmete er sich „ungefährlicheren“ archäologischen Forschungen. 2002 ist Heyerdahl im Alter von 87 Jahren an einem Gehirntumor gestorben.

In der Wissenschaft ist Heyerdahl mit seinen Theorien umstritten. Aber als Reisender ist er für mich ein großer Held, da kommt so schnell keiner ran!

Sein Enkel Olav Heyerdahl hat die Kon-Tiki Exedition 2006 wiederholt. Mit dem Floß Tangaroa fuhr er dieselbe Route wie sein Großvater. Die Tangaroa war im Prinzip baugleich mit der Kon-Tiki, nur hatte sie hochziehbare Kiele, mit der sie gesteuert werden konnte, dadurch war sie 30 Tage früher am Ziel. Thor Heyerdahl hatte nach der Expedition herausgefunden, dass die prähistorischen Flöße wohl mit solchen Kielen ausgestattet waren. Während der Tangaroa-Fahrt hat Olav per Weblog live berichtet. Auf Youtube gibt es auch eine interessante Dokumentation über den Floßbau und die Fahrt.

So, nachdem ich dies geschrieben habe , schau ich mir jetzt Kon-Tiki an. 2013 wurde die Expedition verfilmt. Ich hab die „Unlimited Adventure Edition„, die außer der Verfilmung auch den Dokufilm enthält, den Heyerdahl und Bengt Danielsson damals an Board der Kon-Tiki mit einer Handkamera drehten.