Total stoned im Wolkenkuckucksheim

Oder: „Muh-Drama, die Fortsetzung“… Ich hatte einen wunderbaren Wohn- und Arbeitsplatz kurz vorm Abgrund gefunden und fühlte mich wie im Wolkenkuckucksheim. Im Abgrund hingen die Wolken und bauten sich alle Minuten neu auf, um abzuregen und wieder von vorne anzufangen. Wenn man so eine Show geboten bekommt, muss man bleiben und knipsen, was der Fotoapparat hergibt.

Noch besser geht’s fast gar nicht. Bei offener Tür im Auto arbeiten, die Aussicht genießen, die Wolken beobachten und alle paar Minuten das nächste Foto schießen.

Die Berge und der Autotunnel hinter mir waren ebenfalls hin und wieder zu sehen, und dann wieder verschwunden.

Dann allerdings hörte ich es bimmeln und als ich um die Ecke blickte, sah ich sie…

Wir waren schon wieder von Kühen umzingelt…

Eine 48-füßige Herde junger Färsen stand plötzlich vor unserer Tür im Wolkenkuckucksheim…

Während die Viecher bei unserer ersten Begegnung total scheu waren, sind diese 12 Färsen die Tiefenentspannung in Person. Sie scheinen voll happy und wollen nicht mehr weg. Die müssen irgendwelche Kräuter gefressen haben. Krähenbeeren sollen z.B. eine leicht berauschende Wirkung haben. Fressen Kühe Krähenbeeren?

12 Färsen um mein Auto versammelt. Im Auto ein Rossi, der knurrt und bellt. 12 Färsen, die das nicht im Geringsten juckt.

Apropos juckt… das Fell scheint zu jucken. Eine schubbert sich am Auto Heck den Rücken.
Eine zweite leckt die Motorhaube ab. Scheint noch Salz von der feuchten Fährpassage dran zu kleben. Die dritte bewundert sich im Autospiegel und schleckt ihn dann ebenfalls ab.

Die finden das alles höchst interessant. Das Auto, die Touristen darin, das Klickgeräusch der Kamera (Hurra, ich bin ein Fotostar!)… Am liebsten würden sie zu uns reinkommen!

Während für die Kühe da draußen alles toll ist, ist für Rossi drinnen gar nichts toll. Die sollen endlich verschwinden. Aber die bleiben einfach. Ab und zu ruckelt eine vorne oder hinten am Auto rum. Was für ne Gaudi!!!

Glücklicherweise sind irgendwann die sieben Mägen der Färsen leer und sie haben nichts mehr zum verdauen, also ziehen sie weiter, um sich neue Kräuter einzuwerfen.

Ich widme mich wieder meiner Arbeit und den Wolken. Rossi sinkt erschöpft in sein Kissen.

Ab und zu kriegen wir auch zweibeinigen Besuch. Immer dann, wenn ein Autofahrer stoppt und wie ich die Wolken fotografieren muss.

Später am Abend bimmeln wieder die Glocken. Glücklicherweise nur Schafe. Und glücklicherweise sind sie scheu und halten sich fern.

Auf der anderen Straßenseite ist auch einiges an Wolken los.

23.41. Uhr
Draußen ist es inzwischen dunkel. Nur im Auto brennt noch Licht und ich hab nicht verdunkelt. Großer Fehler! Licht zieht Muhs an… Plötzlich rumst es heftig an meinem Auto. Die Kühe sind zurück!!!

In dem Moment freue ich mich riesig, dass ich in einem Auto und nicht in einem Zelt sitze. 12 Färsen, die um mein Zelt herum randalieren, wären nicht lustig. Aber 12 Färsen ums Auto rum sind auf Dauer ebenfalls nervig. Rossi knurrt und bellt, die Färsen schubbern sich von allen Seiten an meinem Auto und schauen neugierig zum Fenster rein.

Wie vertreibt man lästige Kühe?

# Krach machen! Das macht Rossi ja schon, hilft nichts
# Mit dem Auto rumrütteln – nix
# Schiebetür auf und zuschlagen…‘ egal
# Mit Blitzlicht von der Kamera anstrahlen… sch…egal

Die sind gänzlich unbeeindruckt.

Um Rossi das Gefühl zu geben, dass ich ALLES KANN – sogar Kühe vertreiben, steige ich aus, um mit den Kühen zu reden. Ich  allein unter Kühen. Die scheinen sich richtig zu freuen, dass ich da bin. Und mein Geschimpfe geht ihnen voll den Buckel runter – Hey, Party Alte!

Ich schreie die Kühe an, drücke auf die Hupe, knalle die Türen… NIX! (Und Rossi bellt ausdauernd weiter)

Kuh Nummer 0424 scheint die Leitkuh zu rein. Sie hat die Glocke um und die Kommandogewalt. Sie steht total gelangweilt neben mir, als wären wir alte Freunde. Ich hau ihr mit der flachen Hand auf die Hinterbacken. Einmal. NIX. Nochmal. NIX. Jede normale Kuh hätte schon beim ersten Mal vor Schreck einen Luftsprung gemacht und wäre schnellstens abgehaun. Diese nicht! Sie ist eine SUPERMUH – das Pendant zu unserem SUPERSCHAf von neulich.

Ich versuche Nummer 0424 anzuschieben und fühl mich ein bisschen wie beim Haunshofener Ochsenrennen, wenn die Jungs ihre Ochsen nicht in Gang bringen. Schieben hilft auch nicht, sie will nicht, also bleibt sie. Das Vieh ist total stoned. Weiß der Teufel, was die gefressen hat!

Und die anderen sehen genauso high aus.

„Rossi, mein lieber Junge, tut mir leid, ich hab alles versucht, ich weiß auch nicht, was ich tun soll. Die sind nicht normal!“ Rossis Glauben an meine Allmächtigkeit hat einen Knacks bekommen, ich kann es ihm förmlich ansehen.

Ich klettere wieder zu Rossi ins Auto, schlag die Tür noch mal laut zu und häng die Gardinen auf, um das Auto zu verdunkeln. Wenn die nichts Interessantes sehen, werden sie irgendwann gehen. Hoffe ich.

Sie bleiben und ruckeln weiter am Auto rum. Ich ignorier es und sag Rossi, er soll es ebenfalls ignorieren. Fällt ihm schwer.

Nach einer gefühlten Ewigkeit scheint das Interesse dann doch etwas nachzulassen. Ich bediene noch ein paar Mal die Zentralverriegelung – Knack mit Scheinwerfer an. Vor den Scheinwerfern scheinen sie etwas Respekt zu haben. Das Ruckeln hört auf. Noch mal Licht an… Ich höre, wie sich die Glocke entfernt. Die anderen scheinen zu folgen.

Nur zwei Färsen bleiben die ganze Nacht bei uns und kötteln um mein Auto herum. Als ich gegen 2 Uhr aus dem Fenster schaue (das Auto wackelt schon wieder) blicke ich im Halbdunkeln in große staunende Kuhaugen.

Als wäre nichts gewesen, und als würden wir uns nicht kennen, stehen oder liegen die Färsen am nächsten Morgen in der Wiese unterhalb des Tunnels, stopfen sich weiter mit Kräutern voll und warten auf den nächsten Partybus…

Und die Wolken sind noch immer eine Schau!

War schön im Wolkenkuckucksheim, selbst mit Kühen!